Sperber (Accipiter nisus)

Mit Ausnahme des nördlichsten Skandinaviens und Russlands bewohnt der Sperber fast ganz Europa. In Deutschland ist er weit verbreitet und nach Mäusebussard und Turmfalke der dritthäufigste Greifvogel.
Da er sich ausgesprochen diskret verhält und seine Horste in aller Regel gut versteckt in sichtgeschützten Nadelbaumbeständen baut, wurden seine Bestände lange unterschätzt.
Einige Sperberpaare nisten selbst im Inneren von Großstädten, wo sie oft bessere Lebensbedingungen vorfinden, als in ländlichen Gegenden. Die hohe Kleinvogel- und Taubendichte beschert ihnen hier das ganze Jahr über einen reich gedeckten Tisch und sie sind im innerstädtischen Bereich einem wesentlich geringeren Feinddruck durch ihren größeren Verwandten, den Habicht, ausgesetzt (s. Kapitel „Gefährdung/Feinde“).

Der deutsche Brutbestand beträgt etwa 18.000 Paare, in ganz Europa sind es zwischen 350.000 und 400.000.

Das Brutgebiet des Sperbers erstreckt sich außerhalb Europas über die bewaldeten Teile des nördlichen Asiens bis Kamtschatka und Japan. Eine kleine isolierte Population bewohnt den Himalaya.

Größe/Gewicht
Ähnlich wie bei seinem größeren Verwandten, dem Habicht, sind auch beim Sperber die Männchen deutlich kleiner als die Weibchen (etwa um ein Drittel) und wiegen oft nur die Hälfte. Zusammen mit den Männchen des Merlins, einer kleinen Falkenart mit nordeuropäischer Verbreitung (s. deren Artkapitel), sind sie somit die kleinsten Greifvögel Europas!

Nahrung/Jagdweise
Als ausgesprochener Vogeljäger reicht das Beutespektrum des Sperbers von den kleinsten Arten (Winter- und Sommergoldhähnchen mit je etwa 5,5 g) bis hin zur Ringeltaube als Maximalbeute.
Kleinvögel bis etwa Drosselgröße stellen hierbei aber das absolute Gros. Säugetiere, vor allem Wühlmäuse, machen nur ca. 2% seiner Beute aus.
Das kleinere Sperbermännchen (s. Kapitel „Größe/Gewicht“) kann immerhin noch Beutetiere bis zur Größe einer Wacholderdrossel oder eines Buntspechts fangen. Die Jagd auf größere Arten obliegt dem Weibchen.
Die nahe verwandten Arten Habicht und Sperber jagen auf sehr ähnliche Weise: Die häufigste Methode ist ein sehr flacher Pirschflug mit mittlerer Geschwindigkeit unter Ausnutzung jeglicher vorhandener Deckung, um bei Entdecken geeigneter Beute plötzlich maximal zu beschleunigen und das Überraschungsmoment zu nutzen. Daneben wird auch vom gut gedeckten Ansitz aus gejagt.
Seine enorme Agilität und Wendigkeit sind die Trümpfe des Sperbers: Durch seinen Körperbau mit kurzen, breiten Flügeln und langem Schwanz, den er als Steuer und Bremse einsetzt, kann er schroffste Wendungen fliegen und das kleine und leichte Männchen ist gewiss der wendigste einheimische Greifvogel. Sperber sind in der Lage, mit einem einzigen Flügelschlag ihre Flugrichtung um 180° zu ändern!
Mit ihren langen Beinen und Zehen können Sperber selbst solche Beutevögel noch sicher greifen, die sich bereits in dichtes Gebüsch „gerettet“ haben.
Nicht wenige Sperber verletzen sich bei ihren ungestümen Jagden tödlich an Hindernissen verschiedener Art (s. Kapitel „Gefährdung/Feinde“).

Lebensraum
Eine halboffene Landschaft mit einem Wechsel aus Freiflächen verschiedenster Art mit eingestreuten Waldungen ist der bevorzugte Lebensraum des Sperbers. Hier findet er im Randbereich der Wälder geeignete Horststandorte (meist in Nadelbaumbereichen) und Hecken, Baumreihen, Gräben usw. geben ihm im Freiland genügend Deckung bei der Jagd.
Meist sind die Brutwälder über 5 ha groß, doch brüten manche Paare auch in kleinen Baumgruppen oder Parks, auf Friedhöfen und manchmal sogar in Hinterhöfen inmitten von Großstädten, z.T. nur wenige Meter vom nächsten Wohnhaus entfernt!
Zu den Vorteilen von Siedlungsbrütern s. Kapitel „Vorkommen/Brutbestand“.


Beobachtung/Bestimmung
Mit seinen kurzen, breiten und abgerundeten Flügeln und seinem sehr langen, zusammengelegt wie gerade abgeschnitten wirkenden Schwanz besitzt der Sperber eine charakteristische Flugsilhouette.
Dieser Körperbau weist ihn als wendigen Jäger in hindernisreichem Gelände aus.
Im Gegensatz zum nahe verwandten und ähnlich proportionierten Habicht zeigt der Sperber folgende Unterschiede:
Sperber sind wesentlich kleiner und zierlicher als Habichte. Das Männchen ist neben demjenigen des Merlins (s. dessen Artkapitel) der kleinste Greifvogel überhaupt in unseren Breiten!
Die größeren Weibchen sind manchmal nicht leicht vom Habichtmännchen zu unterscheiden. Weil beide Arten gerne von Raben- bzw. Nebelkrähen „belästigt“ werden, hilft dann oft folgende Faustformel: Sperberweibchen immer kleiner als Rabenkrähe, Habichtmännchen immer größer als Krähe. Die Flügelschläge des Sperbers sind zudem meist deutlich schneller und „hastiger“, als die des Habichts.
Seine Flügel sind noch kürzer und relativ breiter, sein Schwanz ist noch länger. Letzterer wirkt meist am Körperansatz schmaler, als an der Spitze, beim Habicht ist es umgekehrt. Dessen Schwanzspitze wirkt zudem abgerundet, als hätte man die Ecken mit einer Nagelschere beschnitten.
Hals und Kopf eines fliegenden Sperbers sind kürzer und runder als beim Habicht und ragen nicht so deutlich hervor, wie bei jenem.
Besonders Brust und Bauch eines Sperbers sind wesentlich schlanker als beim Habicht, ebenso die „streichholzdünnen“ Beine und Zehen.

Der Sperber tritt in drei unterscheidbaren Kleidern auf:

Das Jugendkleid ist oberseits warm braun und die Federn besitzen rostbraune Ränder, die ein schuppiges Muster erzeugen. Die Körperunterseite ist zwar altvogelähnlich quergebändert, die Zeichnung ist aber gröber, wird auf der oberen Brust unregelmäßig und löst sich dort meist sogar in Längsflecke auf.
Ausgefärbte Weibchen zeigen eine braungraue Oberseite und sind unterseits eng und fein quergebändert. Meist ist ein deutlicher weißer Überaugenstreif vorhanden.
Adulte Sperbermännchen sind mit ihrer blaugrauen Oberseite und ihrer orangen, quergebänderten Unterseite, die sich bis auf die Kopfseiten zieht, regelrecht bunt!
Eine komplette Längszeichnung der Unterseite, wie sie der junge Habicht zeigt, kommt beim Sperber niemals vor!

Zugverhalten
Unter den mitteleuropäischen Sperbern überwintern viele Altvögel in der Nähe ihres Brutreviers. Hier profitieren sie bei ihren winterlichen Jagden von ihrer hervorragenden Ortskenntnis. Die meisten Jungvögel hingegen weichen der kalten Witterung in zumeist südwestlicher Richtung aus und verbringen die Wintermonate z.B. in Frankreich und Spanien.
Nordeuropäische Sperber sind dagegen in aller Regel Zugvögel, die vor allem im September/Oktober und März/April Mitteleuropa passieren. Einige von ihnen überwintern auch in unseren Breiten.
Nur wenige Sperber erreichen auf ihrer „Winterflucht“ Afrika, sie sind also keine Langstreckenzieher.
In Deutschland kann man Sperber das ganze Jahr hindurch beobachten.

Stimme
Außerhalb der Brutzeit ist der Sperber weitgehend stumm. Aus dem Horstbereich hört man meist ein schnelles, dünnes „kji-kji-kji-kji...“, wobei die größeren Weibchen etwas tiefer und langsamer rufen, als die Männchen.
Als Lockruf kommen auch weichere „Gjü-gjü-gjü“-Rufe zur Anwendung, u.a. während des Balzflugs.
Ausgeflogene junge Sperber betteln unermüdlich mit dünnem „Pjiip“.

Fortpflanzung
Im Gegensatz zu seinem größeren Verwandten, dem Habicht, baut der Sperber in der Regel jedes Jahr einen neuen Horst. Dieser steht in den meisten Fällen innerhalb eines nadelbaumdominierten Waldstücks, und zwar meist nah am Stamm einer 20-50 jährigen Fichte oder anderen Konifere. Dadurch versucht der Sperber, dem Jagddruck durch den Habicht zu entgehen, der nur selten in solchen recht dunklen und beutetierarmen Waldbereichen jagt.
Später als der Habicht, etwa Ende April bis Mitte Mai, legt das Sperberweibchen durchschnittlich 5 Eier und bebrütet diese ca. 33 Tage lang. Wie bei vielen Greifvögeln üblich, bleibt es die gesamte Brutzeit über am Horst und beteiligt sich erst wieder an der Jagd, wenn die Jungen mindestens 2 Wochen alt sind. Bis dahin obliegt die Nahrungsbeschaffung für die gesamte Familie nahezu ausschließlich dem Männchen. Da diesem ein Verhaltensprogramm für das Füttern der Jungvögel weitgehend fehlt, kann es passieren, dass die Jungen inmitten deponierter Beutetiere verhungern, wenn das Weibchen z.B. tödlich verunglückt ist und sie noch zu klein sind, um die Beute selbständig zu zerteilen!
Nach 26-30 Tagen verlassen die jungen Sperber den Horst, werden in dessen Nähe noch 3-4 Wochen mit Nahrung versorgt und beginnen anschließend, selbständig zu jagen. In dieser Zeit verlassen sie auch das elterliche Revier.

Durch Beringung konnte nachgewiesen werden, dass Sperber in freier Natur mindestens 20 Jahre alt werden können!

Ähnliche Arten
Habicht: Zur Unterscheidung siehe dessen Artkapitel.

Turmfalke: Turmfalken sind zwar ähnlich groß wie Sperber, aber anders gebaut. Sie sind lang-, schmal- und spitzflügelig und ihr langer Schwanz ist deutlich gerundet. Sie zeigen eine rostrote, gleichsam „dachziegelfarbene“ Oberseite. Kopf und Schwanz des Männchens sind grau, bei Weibchen und Jungvögeln blass rostrot mit z.T. grauen Anteilen. Vom Auge zieht sich ein dunkler „Tränenstreif“ nach unten. Wie alle Falken besitzt der Turmfalke zeitlebens dunkle Augen. Er rüttelt regelmäßig, d.h. er steht mit schnellen Flügelschlägen stationär in der Luft, ein Verhalten, das Sperber nicht zeigen.

Merlin: Wie Sperber jagen auch Merline häufig in flachem Flug, sind dabei aber viel schneller unterwegs und ihre „propellerartigen“, weit ausholenden Flügelschläge, die nur kurz durch Gleitstrecken unterbrochen werden, unterscheiden sie von diesen. Merline sind Jäger der offenen Landschaft und nicht in größeren Waldungen anzutreffen.
Im Gegensatz zum Sperber ist der Merlin auffallend spitzflügelig, sein Schwanz ist kürzer und anders gezeichnet (s. Artkapitel „Merlin“). Seine Augen sind falkentypisch dunkel und es ist ein schwacher Tränenstreif vorhanden. Merline sind in Deutschland in der Regel nur zwischen September/Oktober und März/April zu sehen.

Ordnung
Ordnung:Ordnung: Accipitriformes
Ordnung: (Greifvögel)
Familie: Accipitridae (Habichtverwandte)
Gattung: Accipiter (Habichte)
Art: nisus (Sperber)

Gefährdung/Feinde
Sein nächster Verwandter, der Habicht, ist zugleich der Hauptfeind des Sperbers (siehe Fortpflanzung). Diesem versucht er bei der Nistplatzwahl nach Möglichkeit auszuweichen, indem er seinen Horst meist innerhalb relativ junger Nadelbaumbestände baut. Dort ist er gut gegen Sicht geschützt und die Beutetierarmut solcher Waldstücke verringert die Wahrscheinlichkeit, dass die Jungvögel oder sogar einer der Altvögel vom Habicht entdeckt und erbeutet werden.

Auf den britischen Inseln, wo weite Landstriche praktisch „habichtfrei“ sind, brüten viel mehr Sperberpaare auf Laubbäumen, als im übrigen Europa.
Direkter menschlicher Verfolgung war der Sperber auch in früherer Zeit kaum ausgesetzt, weil er größere Beutetiere, die für die menschliche Jagd von Bedeutung sind, kaum überwältigen kann.

Weil Sperber aber weit oben in der Nahrungskette stehen, nahmen sie vor allem in den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts, als diverse Umweltgifte (z.B. DDT, PCB, Dieldrin) in der Landwirtschaft ungehemmt zum Einsatz kamen, über den Verzehr damit belasteter Beutetiere große Mengen dieser Gifte auf. Dies führte u.a. dazu, dass die Eischalen dünner wurden und beim Bebrüten leicht zerbrachen. In dieser Zeit schrumpften die Sperberpopulationen in manchen Regionen um bis zu 90% zusammen! Seit dem Verbot dieser Mittel in den 70er-Jahren konnten sich die Bestände wieder weitgehend erholen.

Um bei der Jagd erfolgreich zu sein, müssen Sperber mit vollem Körpereinsatz jagen. So kommt es, dass sich viele von ihnen an Ästen o.ä. teilweise tödlich verletzen. Im Siedlungsbereich kommt noch die Gefahr des Anflugs an Zäune, Kraftfahrzeuge und Glasflächen verschiedenster Art hinzu.

Der Sperber in Deutschland:

Eine Übersicht mit Beiträgen aus 15 Regionen

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